Andacht August / September / Oktober 2023

Du bist mein Helfer und unter dem Schatten Deiner Flügel frohlocke ich.
– Monatsspruch August ⋅ Psalm 63,8

Pastor Hans Martin Renno

Liebe Leserin, lieber Leser!

eigentlich sollte hier eine Andacht unserer Pastorin Bettina Gfell zu lesen sein.
Sie ist am 25. Juni 2023 nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Als Text für die Trauerfeier hat sie 1. Korinther 13 ausgesucht und als Überschrift „Die Liebe hört niemals auf“.

Nachfolgend einige Sätze aus der Ansprache bei der Trauerfeier am 3. Juli 2023:

1. Vor fast 2000 Jahren: Die Gemeinde in Korinth fragte: Woran ist erkennbar, dass ein Mensch schon hier in diesem irdischen Leben in einer engen Gemeinschaft, in der vollendeten Gemeinschaft mit Gott lebt? Viele von ihnen meinten, wenn sie mit einer spektakulären Geistesgabe oder eindrucksvollen Verhaltensweise ausgestattet sind, wie z.B. Zungenrede, oder prophetisch reden oder alles Hab und Gut den Armen geben oder den Leib hingeben, um verbrannt zu werden, dann sei dies ein eindeutiger Beweis dafür, dass sie in vollkommener Gemeinschaft mit Gott sind.

Paulus hält jedoch dagegen: Glaube, Hoffnung, Liebe begründen die Gemeinschaft mit Gott. Die Liebe aber ist für die vollkommene Gemeinschaft entscheidend, „weil sie nicht nur das Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern Gottes Zuwendung zum Menschen begründet.“ Die Liebe gibt allem, was Christinnen und Christen tun, bleibenden Wert. Vereinfacht gesagt: Liebe ist vielleicht nicht alles, aber ohne Liebe ist alles nichts.

„Die Liebe hört niemals auf“, will Bettina Gfell uns zu Gehör bringen. Denkt daran, lasst euch das zu Herzen gehen und in eurem Verstand wirken: „Die Liebe hört niemals auf“.

… Liebe ist eine Lebenshaltung, eine Lebensform, eine Lebenspraxis. Auf christliche Weise das Leben zu gestalten … zielt nicht darauf, die eigene geistliche Größe zu vergrößern, in der eigenen geistlichen Größe zu wachsen; sondern in christlicher Weise zu leben; Liebe zu leben ist auf das ausgerichtet, was andere brauchen.

2. Der österreichische Lyriker Erich Fried schrieb zum Thema Liebe ein Gedicht: „Was es ist“.

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe.

Allen Einsichten, allen Erkenntnissen, allen Widerständen, allen Beurteilungen zum Trotz, aller Naivität zum Trotz, auch wenn alles dagegen spricht, hält Erich Fried an der Liebe fest. Nüchtern und distanziert beurteilt mag manches Unsinn sein, Unglück, Schmerz, aussichtslos, lächerlich, leichtsinnig, unmöglich. Aber die Liebe erträgt, glaubt, hofft, hält stand. Diese Liebe hört niemals auf. „Es ist, was es ist, sagt die Liebe“, formuliert Erich Fried, und Bettina Gfell erinnert uns an den Bibelvers: „Die Liebe hört niemals auf“.

Ich verstehe das einerseits als einen tröstlichen Zuspruch und andererseits auch als einen tüchtigen Impuls, einen kräftigen Anstoß: Sorgt dafür, arbeitet daran, auch an euch selbst, dass die Liebe niemals aufhört. Dass sie heute und in Zukunft sichtbar, erkennbar, erlebbar ist und sein wird. …

Die Liebe hört niemals auf. Es ist, was es ist, sagt die Liebe.

3. Liebe, und dann tu, was du willst. Dieser Aufruf wird dem Kirchenvater Augustin zugeschrieben. Manche halten Augustin damit falsch zitiert und stellen klar, dass es ihm darum geht, dass man sich in allem Tun von der göttlichen Liebe leiten lassen soll, dass man in allem Tun den Vorrang der uneigennützigen, wohlwollenden Liebe anerkennt.

… Wenn unsere Liebe von Gottes Liebe zu uns erfüllt und durchdrungen ist, dann können wir tun, was wir wollen: Es wird dem Guten dienen. Es wird uns in der Verbindung mit Gott halten und der Mitwelt ein Zeugnis und eine Hilfe sein.
Liebe, und dann tu, was du willst. Und du kannst gewiss sein: Die Liebe hört niemals auf.

… nehmen wir den Dreiklang dieser Liebe als das Vermächtnis von Bettina Gfell in unser weiteres Leben und Entfalten mit, geben ihm Raum und Zeit, Geschmack und Klang:

Liebe, und dann tu, was du willst.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Die Liebe hört niemals auf. Amen.

Ihr Gemeindepastor
Hans Martin Renno

Traueranzeige Bettina Gfell

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